Chiemsee-Rund-Siegerehrung

Am 20.05.2023 begann die Chiemsee-Meisterschaft mit der Traditions-Regatta “Chiemsee Rund” des YCU.
Die Chiemsee Rund – es gibt wohl kaum eine Regatta am Chiemsee, die mit mehr Klischees behaftet ist. Die drei bekanntesten sind:
1) Bei der Chiemsee Rund gibt es immer irgendwelche Besonderheiten mit ewig langen Protestverhandlungen.
2) Die After-Sail-Party beim YCU gehört zu den Highlights am Chiemsee.
3) Die Impression gewinnt immer.

Diesmal stimmte nur eines davon.

Der Start

Nach einem verregneten Frühling bescherte Petrus uns heute gutes Wetter. Das wie immer ausgiebige Segelerfrühstück konnte draußen vor dem Clubhaus stattfinden und stimmte auf einen harmonischen Tag ein. Danach segelten die Teilnehmer in aller Ruhe zum Startgebiet auf der Höhe des VSaC. Anders als in aller Ruhe ging es auch nicht, bei dem lauen Lüftchen, das morgens wehte. Der Start war heuer wenig spektakulär. Pünktlich um 11:00 setzte Wettfahrtleiter Andreas Bodler das letzte Signal. Während der nächsten 10 Sekunden schaffte es nur ein einziges Schiff über die Startlinie. Von Regatta-Atmosphäre keine Spur. Alle hielten sich auffallend zurück. Und die allermeisten starteten nahe zum Westufer. Nur Friedl Liesl mit seinem Hurricane 6.5 “Fata morgana” wählte taktisch richtig das äußere Ende der Startlinie (zur Herreninsel hin gelegen). Zwar war er nicht unter den ersten Startern, aber eindeutig der Startgewinner. Er hatte nun den kürzesten Kurs zur Südseite der Herreninsel. Allerdings konnte er seinen Vorsprung nicht bis in Ziel bringen.
Spannend machte es ein einzelnes Schiff, das erst gegen Ende des 20-minütigen Startfensters die Startlinie überquerte.

Taktische Herausforderung Herreninsel

Das laue Lüftchen war wie so oft ein thermischer Wind hin zur Herreninsel. Wehte er anfangs aus südwestlicher Richtung, schralte er während des weiteren Kurses an der Südseite der Herreninsel immer weiter. Das hatte viele Positionswechsel zur Folge. Die taktische Überlegung war (oder wäre gewesen): nahe der Herreninsel ging es anfangs relativ gut voran. Ab der Südost-Ecke der Herreninsel war der vorhergesagte Nordostwind zu erwarten. Je weiter man von der Herreninsel entfernt war, desto eher konnte man diesen Weitsee-Wind nutzen. Allerdings musste man dann einen Kreuzschlag auf dem Kurs zur Tonne 1 vor der Achenmündung einplanen. Und an der Südost-Ecke war der Punkt, an dem sich thermischer Wind und Weitsee-Wind gegeneinander aufhoben. Speziell bei Wind aus nördlicher Richtung garantiert diese Ecke darüber hinaus auf Grund der speziellen Geologie der Insel einen Windschatten. Eine knifflige Aufgabe und Entscheidung also. Wir haben innerhalb eines Pulks Schiffe mit dichtgeholten Segeln gesehen, während andere den Spi setzten.
Jedenfalls hat sich die Mehrheit für den kürzesten Kurs entschieden und dann an jenem Punkt im Rudel eingeparkt. Darunter auch einige der üblichen Favoriten. Jegliche Reihenfolge war hier nun Makulatur und die Wettfahrt startete quasi neu.

Kurs Achenmündung

Wer die Windabdeckung durch die Herreninsel endlich hinter sich gebracht hatte, konnte nun bei Nordost-Wind mit 2 bis 3 Bft. hoch am Wind zur Bahnmarke 1 vor der Achenmündung segeln. Das war die Stunde der Klassiker. In den Videos sieht man, wie insbesondere die Schärenkreuzer (30er und 22er) das Feld von hinten aufrollen und Position um Position gutmachen. Bis zur Bahnmarke 1 waren die Karten neu gemischt und die Positionen erheblich verändert. Welche Taktik bezüglich des Kreuzkurses versus des direkten Kurses letztlich erfolgreicher war, können wir in der Analyse allerdings nicht nachvollziehen.

Kurs Bahnmarke 2 Gstadt

Bei inzwischen 3 bis 4 Bft. ging es nun mit halbem Wind in Richtung Gstadt. Das ist der perfekte Wind für die Kielyachten, die bei diesem Wind ihre Rumpfgeschwindigkeit erreichen, während die leichten Boote nicht mehr schneller werden und die Rennyachten ihr Potenzial noch nicht erreichen. Das führte zu weiteren Positionswechseln und zu einer völlig neuen Reihenfolge.
Was uns als Beobachter ab diesem Abschnitt besonders aufgefallen ist: die Schiffe mit einem klassischen Spinnaker waren durchweg schneller als diejenigen mit Gennacker. Im Video sehen wir die Bavaria 34 speed von Richard Buchner, wie sie unglaublich schnell Platz um Platz gutmacht. Auch die Klassiker sind mit ihren Spis, die nomimal relativ klein sind gegenüber den Gennackern, jetzt überraschend schnell.

Kurs Gstadt bis Ziel

Mit achterlichem Wind ging es nun in Richtung Kanal. Wie üblich gab es verschiedene Taktiken. Während die einen den Wind am westlichen Rand der Inseln suchten, den längeren Weg dabei in Kauf nehmend, versuchten es andere mit dem direkten, kürzeren Kurs. Die richtige Entscheidung war wohl die Mitte. Die Steuerfrauen und -männer auf diesem Kurs konnten hier Plätze gutmachen und teilweise auch ins Ziel bringen.
Was uns während der ganzen Wettfahrt aufgefallen ist, konnten wir auch hier besonders beobachten: viele Crews hatten Probleme, ihren Gennacker zum Stehen zu bringen. Die Winddreher vor den Buchten boten hier viele Gelegenheiten, das Shiften zu üben.
Die gesamte Wettfahrt war von ungewöhnlichen Wechseln der jeweils optimalen Bedingungen für die verschiedenen Klassen geprägt. Ungewöhnlich war diesmal auch, dass es beim Anlauf der letzten Bahnmarke ein großes, dicht zusammenliegendes Feld gab.
Dank des guten, stetigen Winds war auch das Letzte Schiff bereits um 14:39:10 Uhr im Ziel.

Die Regatta der Klassiker

Windstärke, Windrichtung und Kurs waren bei der Chiemsee Rund 2023 perfekt für die Klassiker. Schon nach 2:24:30 ging der 20er Jollenkreuzer von Norbert Kerl (CYC) über die Ziellinie. Es folgten innerhalb von ca. 11 Minuten der 30er Schärenkreuzer, der 22er Schärenkreuzer und der 5.5er. Nach berechneter Zeit belegen diese Klassiker die Plätze 1 bis 4.

In derselben Gruppe “Cupper” wie die Klassiker segelte auch Thomas Lechner mit seiner Condor 9. Mit dem 4 Platz in dieser Gruppe und mit einem sehr guten 8. Platz in der Gesamtwertung nach Yardstick hat er wieder einmal die YCU-interne Wertung gewonnen. Damit hat er den YCU auch wieder einmal respektvoll repräsentiert, Chapeau!

Klassenkampf

Eine besondere Erwähnung verdienen die J80 des DHH. Während 2/3 der gesamten Wettfahrt gab es eine Gruppe, die sich innerhalb von wenigen Bootslängen bewegte. Wir haben GER1063, GER13 und GER525 während der gesamten Chiemsee Rund beobachtet, wie sie in genau dieser Reihenfolge bis zur Fraueninsel dicht hintereinander bis nach der Bahnmarke 2 unterwegs waren. Ab der Fraueninsel trennen sich die 3 Boote, um auf jeweils unterschiedlichen Kursen den schnellsten Weg zum Ziel zu finden. Nach einigen Positionswechseln hat es die GER525 “Attacke” mit der Crew von Clemens Meyer tatsächlich vor den beiden direkten Konkurrenten ins Ziel geschafft. Nur 11 Sekunden später folgt Peter Kautzsch (GER13) mit seiner Crew. Und vor die GER1063 mit Christoph Forster kann sich noch die GER1403 mit der Crew von Georg Lampe schieben. Insgesamt liegen zwischen der ersten J/80 nach 2:34:45 und der letzten nach 2:46:27 im Ziel nur rund 12 Minuten, zwischen den ersten 8 von 9 sogar nur 6:36 Minuten.

Die Abendveranstaltung beim YCU

Die Zusammenfassung der After-Sail-Party: der Abend war wieder einmal spektakulär. Diesmal spielte das Red Tie Swing Orchestra – Die Bigband des Truderinger Musikvereins – legendäre Klassiker von Swing bis Rock. Der Autor dieses Berichts weiß nicht, von wem die raffinierten Arrangements stammen, er kann sie jedenfalls als perfekt bezeichnen. Die Band traf damit den Geschmack aller Generationen und bekam verdienten Applaus auch von den akustisch beruhigten Tischen. Alles andere war ebenfalls perfekt wie immer: angefangen vom Steckerlfisch bis zum Service des Küchen-Teams. An dieser Stelle einen großen Applaus für das gesamte Gastro-Team unseres Clubs!

Zusammenfassung

Die Chiemsee Rund 2023 war wieder eine rundum gelungene Regatta. Gute Stimmung vom Seglerfrühstück über die Wettfahrt bis zur After-Sail-Party. Bei gutem Wetter bis in den späten Abend hinein konnten wir draußen sitzen. Die Bewirtung und die Musik gleichermaßen super. Die Chiemsee Rund 2023 war einfach gut, harmonisch, interessant, auf dem Wasser spannend und insgesamt ein perfekter Einstieg in die Chiemsee-Meisterschaft 2023.

Nachtrag

Auch wenn Robert Egner mit seinem Foil Flyer als erster im Ziel war: nach berechneter Zeit landete er im hinteren Drittel. Auch die Impression und andere Favoriten mussten sich diesmal mit Plätzen im Mittelfeld begnügen.

Tilo Klesper